Aktienmärkte aktuell 🕶️ April 2022

Aktienmärkte aktuell 🕶️ April 2022

Die Finanzmärkte und die geopolitische Situation

  • Börsen zeigen mit Blick in die ferne Zukunft optimistische Tendenz
  • Putin besteht auf Zahlung in Rubel, faktisch geringe Veränderung
  • Anstieg der Inflation bei vorerst noch robustem Wachstum

 

Krieg in der Ukraine

Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine schreiten immerhin ein wenig voran. Russischen Angaben zufolge werde geprüft, ob die Ideen der Ukraine – Sicherheitsgarantien, neutraler Status – Zustimmung finden. Umgesetzt ist davon freilich noch nichts. Aber die Aktienmärkte scheinen, in die in Istanbul erzielten "Ergebnisse" Hoffnungen zu setzen, dass die Konfliktparteien, deren Standpunkte vor wenigen Wochen noch meilenweit auseinander lagen, sich zumindest annähern und damit Friedensgespräche als möglich erachtet werden können.

Schon in der Woche zuvor ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit der Aussage aufhorchen, dass er bereit sei, auf einen Nato-Beitritt seines Landes zu verzichten. So geht zwar das Kriegsgeschehen in all seiner Grausamkeit weiter; die Börsen schauen aber (hoffnungsvoll) in die fernere Zukunft und somit über das aktuelle Geschehen hinweg. So zumindest bis zur Wochenmitte.

Marktüberblick

Aktuell (04/2022)1M (03/2022)YTD1 (04/2022)1Y (04/2021)3Y (04/2019)  
ATX®3.320,369,18 %-14,00 % 🔻+5,78 %+7,92 %
DAX®14.446,4810,87 %-9,06 % 🔻-2,51 %+23,66 %
EURO STOXX 50®3.918,6811,11 %-9,00 % 🔻+0,92 %+15,75 %
S&P 500®4.545,865,61 %-4,87 % 🔻+14,74 %+58,55 %
 MSCI® World Climate Change Top ESG Select 4.5% Decrement1.448,444,21 %-9,69 % 🔻+7,88 %+37,20 %
 MSCI® World Top ESG Select 4.5% Decrement2.261,424,05 %-8,28 % 🔻+6,75 %+31,35 %
 MSCI® Europe Top ESG Select 4.5% Decrement1.906,028,38 %-8,56 % 🔻+6,33 %+25,32 %
 MSCI® North America Top ESG Select 4.5% Decrement2.875,952,76 %-7,43 % 🔻+10,47 %+41,31 %
 MSCI® Emerging Markets Top ESG Select 5% Decrement1.170,040,62 %-4,15 % 🔻-5,22 %+13,11 %
 DAX® 50 ESG (PR) EUR1.587,0510,56 %-9,20 % 🔻-4,10 %+14,53 %
VStoxx®28,50-46,16 %+47,92 % 🟢+55,34 %+92,70 %
EUR/USD Wechselkurs1,100,53 %-2,49 % 🔻-6,14 %-1,52 %
GoldpreisUSD 1.925,68-1,94  6,12 % 🟢+12,47 %+49,54 %
ÖlpreisUSD 104,39-9,97 %31,61 % 🟢+60,65 %+51,27 %


1 ... Year to date: seit Jahresbeginn; Quelle: Bloomberg; Stand: 04.04.2022, 18:00 Uhr

 

Russisches Gas als Druckmittel

Am 31.03.2021 erfolgte der nächste Schachzug Putins gegenüber dem Westen. Er hat angekündigt, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssten, um weiter russisches Gas zu erhalten. Von diesen Konten müsste das gelieferte Gas bezahlt werden. Bei einem Ausbleiben der Zahlungen würden die Lieferungen für die sogenannten "unfreundlichen Länder" eingestellt.

Die Zahlung in Fremdwährung, also etwa Euro oder US-Dollar, ist möglich. Die Gazprombank konvertiert das Geld in Rubel und überweist den Betrag in der russischen Währung an den Gaslieferanten Gazprom. Dazu soll die Gazprombank im Namen der Käufer Rubel aufkaufen und diese auf ein weiteres Konto überweisen. Von dort sollen die so konvertierten Beträge dann an Gazprom gehen. Das alles ist grundsätzlich möglich, zumal die Gazprombank auch nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bislang nicht vom Westen sanktioniert worden ist.

Putin kann mit diesem Ablauf innenpolitisch behaupten, seine Ankündigung, wonach der Westen in Rubel zahlen müsse, umgesetzt zu haben. Faktisch ändert sich zunächst allerdings nicht viel. Die EU-Staaten werden das Dekret und die konkreten Folgen deshalb nun prüfen.

US-Präsident Joe Biden hat wiederum jüngst erklärt, seine nationalen Öl-Notreserven so stark anzuzapfen wie noch nie. Damit würde die akute Angebotsknappheit am Ölmarkt spürbar gelindert werden. Dies und die oben beschriebenen Wirren um den Bezahl-Modus für russisches Gas hat mit zu der reichlich divergenten Entwicklung von Öl- und Gaspreisen seit Mitte März beigetragen.

Inflation steigt weiter

Abseits der Schauplätze Krieg und Sanktionen legen die Wirtschaftsdaten und -indikatoren nahe, dass sich die in den letzten Wochen abzeichnenden Tendenzen weiter bestätigen:

Der Anstieg der Gesamtinflation in der Eurozone von 5,9 % im Februar auf 7,5 % im März war wesentlich stärker als die zuvor veröffentlichte Konsensprognose. Zumal die Inflation offensichtlich weiter über die EZB-Prognose hinaus ansteigt und wahrscheinlich auch für den Rest des Jahres sehr hoch bleiben wird, machen sich die Kapitalmärkte zunehmend Sorgen, dass die Zinsen eher früher denn später angehoben werden könnten. Die in den letzten Tagen veröffentlichten Unternehmens-Umfrageergebnisse in Europa zeigen, dass sich die Industrie in Gelassenheit übt und bei den Dienstleistungen der lockerungsbedingte Rebound im Fokus steht. Es sind eher die Konsumenten, denen der Krieg derzeit aufs Gemüt schlägt. Allen gemein ist jedoch die Erwartung, dass der Krieg die Inflation noch einmal anheizen wird.

In Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone lassen sich vor diesem Hintergrund schon Tendenzen für die bevorstehende Berichtsaison in Europa, die in der zweiten April-Hälfte starten wird, erahnen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für negative Q1-Gewinnüberaschungen, die sich aus steigenden Herstellungskosten ergeben, sowie aus Lieferkettenproblemen, durch welche die gegebene Nachfrage nicht erfüllt werden kann.

Die Ausblicke der Unternehmen für Q2 und/oder gar das Gesamtjahr könnten andererseits abgesenkt werden, was die 2022er-Gewinnwachstumserwartungen weiter in Richtung Nulllinie drücken könnte. Diesbezüglich muss aber immerhin betont werden, dass dies bloß hieße, die Unternehmen würden kein weiteres Wachstum vom 2021er-Rekordgewinnniveau aus erwarten. Im Zusammenhang mit dem gegebenen geopolitischen Umfeld und den vergleichsweise moderaten Bewertungen in Europa kann man das schon wieder fast als Positiv-Argument sehen.

Auch wenn man trotz diplomatischer Annäherungen wohl noch ein gutes Stück von einem Waffenstillstand oder gar Frieden entfernt ist, stellen sich die Börsen mehr und mehr auf "die Zeit danach" ein. Raiffeisen Research wird daher in den kommenden Tagen Indexziele und -empfehlungen überarbeiten und neu veröffentlichen.



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